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Referentenentwurf der Bundesregierung zu „eForms“ und Streichung § 3 Abs. 7 S. 2 VgV

Die Bundesregierung hat am 16.02.2023 den Referentenentwurf zur Einführung neuer elektronischer Standardformulare bekanntgegeben („Entwurf einer Verordnung zur Anpassung des Vergaberechts an die Einführung neuer elektronischer Standardformulare („eForms“) für EU-Bekanntmachungen und an weitere europarechtliche Anforderungen“). Hierin soll neben der Einführung der neuen elektronischen Standardformulare („eForms“) auch § 3 Abs. 7 S. 2VgV gestrichen werden.

  • 3 Abs. 7 S. 2 VgV lautet: „Bei Planungsleistungen gilt dies nur für Lose über gleichartige Leistungen.“

Hieraus wurde bisher überwiegend der Schluss gezogen, dass die Leistungsbilder der HOAI grds. getrennt betrachtet werden können, wenn diese nicht im Rahmen einer Generalplanervergabe an einen einzigen Auftragnehmer vergeben werden. Wenn die Leistungsbilder an unterschiedliche Auftragnehmer vergeben werden, könnten die nicht gleichartigen Planungsleistungen (also die einzelnen Leistungsbilder der HOAI) gesondert betrachtet werden und müssten für die Schwellenwertberechnung nicht addiert werden.

Hiergegen hat die EU-Kommission jedoch 2018 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet. Auch das OLG München (OLG München, Beschl. v. 13.03.2017 – Verg 15/16, vgl. auch unsere Newsletter 02/2017 sowie Newsletter 03/2018) ging davon aus, dass § 3 Abs. 7 S. 2 VgV mit den europarechtlichen Vorgaben nicht vereinbar sei.

Der Referentenentwurf sieht nunmehr vor, dass § 3 Abs. 7 S. 2 VgV (sowie § 2 Abs. 7 S. 2 SektVO und § 3 Abs. 7 S. 3 VSVgV) aufgehoben wird.

Die Aufhebung sei alternativlos. Würde keine Anpassung des nationalen Rechtsrahmens erfolgen, drohe mit sehr großer Wahrscheinlichkeit eine Klage der Europäischen Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof und ein dortiges Unterliegen. Daher soll die bisherige „Sonderregelung“ zur Auftragswertberechnung von Planungsleistungen entfallen.

Der Referentenentwurf führt dann jedoch aus, dass die Regelung in § 3 Abs. 7 VgV rein deklaratorisch erfolgt sei. Bei der Bewertung, ob Planungsleistungen gleichartig sind, seien bereits bislang die wirtschaftliche oder technische Funktion der Leistung zu berücksichtigen gewesen. Eine Änderung des Rechtsrahmens sei mit der Aufhebung des lediglich deklaratorischen Charakters nicht verbunden. Es liege ein einheitlicher Gesamtauftrag aus mehreren Losen vor, sofern sie in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht eine innere Kohärenz und eine funktionelle Kontinuität aufweisen. Das Losaufteilungsgebot sei jedoch weiterhin zu beachten.

Die Bundesregierung werde sich jedoch dafür einsetzen, die Schwellenwerte zur Anwendung des GWB-Vergaberechts im Europa- und Völkerrecht anzupassen.

Diese Begründung ist nicht ganz stimmig mit der vorherigen Aussage, dass die „Sonderregelung“ zur Auftragswertberechnung von Planungsleistungen entfallen soll. Wenn sich an der Rechtslage nichts ändern soll, dann entfällt auch keine vorhandene „Sonderregelung“.

Als Erfüllungsaufwand wird im Referentenentwurf davon ausgegangen, dass trotz der lediglich klarstellenden Wirkung künftig mehr Planervergaben als bisher EU-weit ausgeschrieben werden dürften. Der Referentenentwurf geht hier von 10.000 Planungsleistungen pro Jahr aus.

Die Aufhebung soll unmittelbar am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft treten, die übrigen Anpassungen des Referentenentwurfs erst zum Ende des Übergangszeitraums für die eForms am 25. Oktober 2023. Für die Regelungen zu eForms soll eine ausreichende Vorbereitungszeit ermöglicht werden. Mit einer konkreten Beschlussfassung zum Referentenentwurf wird im Frühsommer 2023 gerechnet.

Ob der Entwurf jedoch wirklich so umgesetzt wird, ist fraglich. Eine umfassende Stellungnahme zur Streichung des § 3 Abs. 7 S. 2 VgV (sowie § 2 Abs. 7 S. 2 SektVO und § 3 Abs. 7 S. 3 VSVgV) durch die Kammern und Verbände der planenden Berufe sowie des Bundesverbands der freien Berufe liegt bereits vor.

In dieser Stellungnahme wird dringend darauf hingewiesen, § 3 Abs. 7 S. 2 VgV sowie die entsprechenden Vorschriften in der SektVO und der VSVgV nicht aufzuheben.

Dies würde zu massiven Verwerfungen im deutschen Planungsmarkt führen. Die Situation in Deutschland sei bzgl. Planungsleistungen besonders: Das Leistungsbild reiche in Deutschland von der Planung bis hin zur Vorbereitung der Vergabe und der Bauüberwachung. In vielen anderen EU-Ländern werde hingegen „nur“ das Design ausgeschrieben.

Der Anteil der Planungskosten liege bei etwa 25% der Gesamtbaukosten. Eine Addition würde somit dazu führen, dass die Planungsleistungen für Projekte ab ca. 860.000 € EU-weit ausgeschrieben werden müssten.

Damit müssten die Planungsleistungen bei fast allen öffentlichen Bauvorhaben europaweit ausgeschrieben werden, was zu einer Überforderung der Vergabestellen, insbesondere auf kommunaler Seite, führen würde. Eine Relation zu den Bauvergaben wäre nicht mehr vorhanden, die Folge wären vermutlich mehr Totalunternehmervergaben, was zu einer Existenzgefährdung der mittelstandsgeprägten Planungswirtschaft in Deutschland führen würde.

Auch wird in der Stellungnahme ausgeführt, dass keine erkennbaren Vorteile im Sinne einer Stärkung und Vertiefung des europäischen Binnenmarktes erwartet werden. Gerade die Planungsleistungen wiesen insgesamt fast keine Binnenmarktrelevanz auf. Auch bei den bislang bereits europaweit ausgeschriebenen Planungsaufträgen habe es so gut wie kein Interesse ausländischer Planungsbüros gegeben.

Außerdem wird darauf hingewiesen, dass das befürchtete Unterliegen vor dem EuGH nicht so sicher sei, wie dies wohl befürchtet werde. Nach Ansicht der Kammern und Verbände hat der EuGH in der Vergangenheit bereits mehrfach bewiesen, dass er nicht immer im Sinne der EU-Kommission entscheidet. Auch werde das vielzitierte „Autalhalle-Urteil“ missverstanden bzw. überinterpretiert. Der EuGH hat in diesem Urteil „nur“ die Addition von unterschiedlichen Leistungsphasen in einem Leistungsbild verlangt. Dies sei auch unstreitig.

 

 

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