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Gericht stuft die Betreuung eines Vergabeverfahrens als Rechtsdienstleistung ein

Im Rahmen einer einstweiligen Verfügung hat das Landgericht Gießen entschieden, dass die Betreuung eines Vergabeverfahrens eine Rechtsdienstleistung i.S.v. § 3 RDG darstellt. Rechtsdienstleistungen dürfen jedoch ausschließlich von Anwälten/Anwältinnen erbracht werden. Das Landgericht untersagte in der einstweiligen Verfügung einem öffentlichen Auftraggeber die Ausschreibung einer Verfahrensbetreuung für Planungsleistungen, sofern sich diese auch an Personen richtet, die über keine Zulassung zur Anwaltschaft verfügt und Mitglied einer deutschen Rechtsanwaltskammer ist. Das Landgericht stellte klar, dass eine öffentliche Ausschreibung der Verfahrensbetreuung eines Vergabeverfahrens unzulässig ist, wenn sich diese auch an Personen richtet, die über keine Zulassung als Rechtsanwalt verfügen.

Ausgeschrieben waren folgende Leistungen: „Abwicklung des kompletten Verfahrens in Abstimmung mit der Stadt ###; Terminplanung; Erstellung der Vergabeunterlagen (einschließlich EU-Bekanntmachung, Leistungsbeschreibung, Teilnahmeantrag, Formblätter, Wertungskriterien usw.); Auswertung der Bewerbungsunterlagen anhand einer Matrix (z. B. Preis, Referenzen, Projekten, etc.); Durchführung einer Präsentation der ausgewählten Bieter; Auswertung anhand einer Matrix der Präsentation und der Honorarangebote; Rechtsichere Erstellung der Vertragsunterlagen für die einzelnen Lose; Mitwirkung beim Vertragsbeschluss; Koordinierung der Bieteranfragen; Erstellung der Vergabedokumentation“.

Das LG Gießen untersagte es explizit, derartige Leistungen auch an Personen/Unternehmen zu vergeben, die über keine Zulassung zur Anwaltschaft verfügen. Auch der Hinweis des Auftraggebers, für die Rechtsberatungsleistungen könnten auch Anwälte als Nachunternehmer eingesetzt werden, wurde nicht akzeptiert.

 

Die einstweilige Verfügung steht im Einklang mit einer bereits 2021 ergangenen Entscheidung des LG Magdeburg (Urteil vom 15.09.2021 – 7 O 1109/21). In dieser einstweiligen Verfügung wurde entschieden: „Soweit die Beklagte öffentliche Auftraggeber in Vergabeverfahren über die Verfahrensbegleitung hinausgehend hinsichtlich der Einhaltung der Wettbewerbsregeln und der Vergabegrundsätze sowie hinsichtlich der Vermeidung von Diskriminierungsaspekten und der Sicherung des GIeichbehandlungsgrundsatzes berät und ihnen Handlungsempfehlungen gibt, erbringt sie Rechtsdienstleistungen i. S. d. § 2 Abs. 1 RDG, weil diese Tätigkeiten der Beklagten jeweils auch eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordern. § 2 Abs. 1 RDG ist in seinem Anwendungsbereich nicht restriktiv auf solche Tätigkeiten zu beschränken, die eine besondere rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordern. Vielmehr erfasst der Wortlaut der Norm ausnahmslos alle Tätigkeiten in konkreten fremden Angelegenheiten, die eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordern, unabhängig davon, wie intensiv oder schwierig diese Prüfung ist“.

Entscheidend ist die Ausgestaltung im Einzelfall. Sofern die Beratungsleistungen lediglich eine äußerst untergeordnete Rolle spielen, kann es sich ggf. um bloße Nebenleistungen gem. § 5 RDG handeln. Diesbezüglich hat das OLG Düsseldorf im Jahr 2022 (Beschluss vom 25.05.2022 – Verg 33/21) entschieden, dass bei der Betreuung von standardisierten Ausschreibungsvefahren die Rechtsdienstleistung (diese wurden also auch vom OLG bejaht) eine Nebenleistung gem. § 5 RDG darstellen kann, wenn die Leistungen als Nebenleistungen zum Berufs- oder Tätigkeitsbild eines Beschaffungsdienstleisters gehören. Entscheidend war hier jedoch die konkrete Ausgestaltung des Leistungsbildes im Einzelfall. Im entschiedenen Fall wurden die Anforderungen an die rechtliche Prüfung vom OLG als minimal eingestuft, da Standardvorlagen und Standard-Vertragsmuster verwendet werden sollten. Es wurde hier lediglich die Betreuung von Mustervergabeverfahren ohne spezielle Anforderungen für standardisierte Leistungen ausgeschrieben. Nur in diesem Fall konnte von Nebenleistungen ausgegangen werden.

Sobald jedoch die üblichen Betreuungsleistungen für das gesamte Verfahren benötigt werden, sind die aufgezeigten Entscheidungen der Landgerichte Magdeburg sowie Gießen einschlägig. Gem. § 3 BRAO ist der Rechtsanwalt der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten. Andere Personen dürfen gem. § 3 RDG eine Rechtsdienstleistungen nur in speziell geregelten Ausnahmefällen erbringen, wie z.B., wenn es sich um eine reine Nebenleistung handelt.

In der Praxis werden bei der Angebotseinholung von Verfahrensbetreuungen auch oft Projektsteuerungs- und Architekturbüros mit aufgefordert. Sollten jedoch die abgefragten Leistungen über reine Nebenleistungen hinausgehen, ist dies unzulässig. Sobald ein Vertrag entworfen werden soll oder rechtliche Beratungen gewünscht sind, sind ausschließlich Rechtsanwälte aufzufordern.

LG Gießen, Beschluss vom 21.03.2025, 3 O 95/25

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